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Editorial: „Prognosen sind schwierig …

12. Dez 2013

besonders wenn sie die Zukunft betreffen!“

8_editorial.jpg von Josef Hochgerner

Dieses Niels Bohr zugeschriebene Bonmot kann nicht nur auf die Quantenphysik, sondern auch auf das ZSI oder generell auf das Jahr 2014 angewandt werden. 1913 wusste niemand von den kommenden Weltkriegen, wenngleich Kriegsahnungen in der Luft lagen. So titelte etwa die Washington Post am 8. Februar 1914 „Professor Schumpeter is pessimistic: Predicts Third Balkan War“. Im Rückblick darauf ist leicht zu sehen, dass es schlimm genug gewesen wäre, hätte er mit dem ‚Dritten Balkan Krieg‘ recht behalten und wäre daraus nicht der Erste Weltkrieg geworden.

Hundert Jahre später wissen wir, dass 2014 viel an Erinnerung und Reflexion auf uns zukommen, aber nicht, was daraus und daneben alles werden wird. Relative ‚Bescheidenheit‘ im Sinn der Vermeidung von allzu drastischen Erwartungen in positiver wie negativer Hinsicht ist daher ratsam, aber in Verbindung mit möglichst gründlicher und genauer, wissenschaftlich geleiteter Analyse möglicher Entwicklungen (foresight statt forecasting). Nichtsdestotrotz ist freilich möglich, dass im weiten Feld unvorhersehbarer Entwicklungen extreme Veränderungen in großen gesellschaftlichen Maßstäben entstehen. Die außerordentlich komplexen und global verwobenen politischen, wirtschaftlichen und sozio-technischen Systeme des 21. Jahrhunderts sind diesbezüglich hochgradig anfällig, werden aber gerade zur Vermeidung von Systembrüchen immer weiter ausdifferenziert.

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M.C. Escher, „Relativity“ (1953)
Source: Official M.C. Escher Website [www.mcescher.com/] (© used for educational purpose only, acknowledging the historical and educational value for the article, low resolution)  

Gekittete Systeme (z.B. Banken und das weitere Finanzsystem, militärische Bündnisse, Energie- und Transportsysteme, Rohstoffe, Wasser, diverse Infrastrukturen, nicht zuletzt Klima und Umwelt) bergen ein doppeltes Risiko: Das erste besteht darin, sich zurück zu lehnen bzw. business as usual zu betreiben, solange der Kitt nach der letzten großen Krise hält. Das zweite folgt aus der Kumulierung der Problemdimensionen aufgrund von System- und Komplexitätszuwächsen; der nächste Kollaps könnte daher ein „Collapse of everything“ (John L. Casti) werden.

Vor diesem Hintergrund operiert das ZSI mit Methoden wie Foresight, Entwicklung und Monitoring von Prozessen und Projekten, Forschung zu Grundlagen und Auswirkungen von Innovationen; Weiterbildung und Unterstützung von Netzwerken bzw. Organisationen und Personengruppen kommen allen Sektoren der Gesellschaft zugute, von staatlichen Institutionen über privatwirtschaftliche Unternehmen bis zu zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Was wir dabei konkret machen geht auf Grundüberlegungen seit der Gründungsphase des ZSI von rund 25 Jahren zurück, die nicht nur weiterhin Gültigkeit, sondern während der letzten Jahre auch intensiven Zuspruch erfahren: Neben neuen Technologien werden soziale Innovationen umso dringlicher, als Technologie und Industrie im 20. Jahrhundert so enorme Fortschritte gemacht haben, dass zum einen bisher nie erreichte Potenziale für hohe Lebensqualität realisiert werden können, zum anderen aber die ungleiche Teilhabe daran in Verbindung mit ebenfalls wachsender Ausbeutung natürlicher Ressourcen zu zirkulären Krisen führen.

Das ZSI ist für 2014 nicht nur wegen der langen Befassung mit derartigen Themenstellungen und dem allgemein steigenden Interesse an ‚großen Herausforderungen‘ gut positioniert, sondern vor allem aufgrund bisheriger Kompetenzen, Erfolge und organisatorischer Maßnahmen des Jahres 2013: Im ablaufenden Jahr konnten nicht nur viele der diversen Themenfelder des ZSI weitergeführt werden, es zeigten sich auch neue Linien, und zwar hinsichtlich Internationalisierung und Vertiefung im Kernkompetenzfeld soziale Innovation.

Zu den schon bestehenden – über den Europäischen Forschungsraum hinaus reichenden – internationalen Kooperationsnetzwerken (Südosteuropa, Zentralasien, Ost- und Südostasien, Lateinamerika) konnten neue Projekte gewonnen werden, die mehr bzw. intensivere Arbeitsbeziehungen mit Nordamerika (v.a. Kanada) und dem afrikanischen Kontinent etablieren. Damit ist das ZSI weiterhin und mehr als je zuvor ein international ebenso sichtbarer wie geschätzter Player in der Forschungs- und Wissenschaftskooperation zwischen der EU und anderen Weltregionen.

Die global steigende Nachfrage nach sozialer Innovation und den entsprechenden Kompetenzen macht sich in vielfältigen Anfragen nach Vorträgen, Seminaren, Projektbegleitung und –entwicklung, sowie Angeboten zur Zusammenarbeit in wissenschaftlichen Studien und Programmen zur Förderung sozialer Innovationen bemerkbar. Diese ‚Konjunktur‘ bringt neue Projekte (etwa noch auf Basis der letzten Calls for Proposal im 7. EU-Rahmenprogramm für FTE, und ab 2014 wohl auch im Rahmen von Horizon 2020) und Chancen in Bezug auf Veranstaltungen, Publikationen und Entwicklung von Bildungs- und Weiterbildungsangeboten.

In diesem Sinn spielt das ZSI einerseits eine zentrale Rolle in der European School of Social Innovation, der mittlerweile auch die Donau Universität Krems (DUK), die Universität des Baskenlandes und die TU Dortmund beigetreten sind (einige weitere werden 2014 aufgenommen). 2013 wurde das weltweit erste akademische Studium ‚Master of Arts in Social Innovation‘ – mit Studierenden aus Australien, Mexiko und einigen europäischen Ländern – an der DUK gestartet; in der Woche vom 7.-11. April 2014 wird bereits der zweite Lehrgang beginnen.

Darüber hinaus wurden und werden weiterhin Trainings, Summer Schools und Seminare zur Initiierung und Realisierung von sozialen Innovationen (in öffentlichen Institutionen, Unternehmen, NGO’s …) angeboten und durchgeführt. Sehr hilfreich war dafür die während des Jahres 2013 sehr intensive und wiederholte Zusammenarbeit des ZSI mit der Wissenschaftsredaktion des Kultursenders Österreich 1 auf der Grundlage des Ö1 Jahresschwerpunkts ‚open innovation‘. Dadurch kam das Thema ‚soziale Innovation‘ nicht nur in Radio-Kollegs, sondern auch in Journalsendungen von Ö1, in anderen Medien und 27 Mal in der Sommerserie ‚Innovation.Leben‘ vor. Den vorläufigen Schlusspunkt dazu bildete das Ö1 Open Innovation Forum am 24. Oktober im RadioKulturHaus (ORF, 1040 Wien), das von Ö1 gemeinsam mit dem ZSI veranstaltet wurde. Teil des Events war ein „World Café: Soziale Innovationen in Österreich und Europa. Wie schafft man Grundlagen und Infrastrukturen".

Um unseren erweiterten Aktivitäten und zukünftigen Entwicklungschancen eine international und nach außen besser abgesicherte, bzw. für das ZSI-Management weniger riskante Rechtsperson zu schaffen, wurde 2013 die ZSI-GmbH gegründet, die ab Frühjahr alle Geschäfte des ZSI führen wird. Damit sind zwar Veränderungen in Abläufen und formellen Verantwortlichkeiten verbunden, es wurde aber größter Wert darauf gelegt, die seit der letzten großen Organisationsreform des ZSI (2007) bewährten Funktionen und Leitungsprinzipien zu erhalten. Das Zentrum für Soziale Innovation bleibt, was es ist, nur soll es das noch besser werden als bisher: für alle hier arbeitenden KollegInnen ein guter Arbeitsplatz mit interessanten und lohnenden Aufgaben, und für alle Auftrag gebenden Stellen und KlientInnen ein verlässlicher, professioneller und leistungsfähiger Partner.

In diesem Sinn bedanke ich mich persönlich bei allen MitarbeiterInnen des ZSI für den wieder ganzjährig bewiesenen tollen Einsatz von Können, Engagement, Ausdauer und die nicht gerade selten zu beweisende Stressresistenz! Für hervorragende Kooperation sei ebenso gedankt den hunderten VertreterInnen von Partnerorganisationen in unseren vielfältigen Projekten, von Auftrag gebenden und fördernden Stellen in Österreich, in der Europäischen Kommission und diversen internationalen Organisationen. Sie alle machen mit uns das möglich, was für 2014 wieder notwendig ist: Daran zu arbeiten, dass auch in Krisen und zu Zeiten weltweiter Anspannung mit viel Einsatz wenigstens kleine Schritte zur ‚Verbesserung der Welt‘ gelingen mögen – und dass es weder eine Schande ist, sich dazu zu bekennen, noch dass nicht alle Ziele perfekt erreicht werden. Immerhin ist das Imperfekte der Welt ja der Grund dafür, dass perfekte Kreisläufe oft, wenn überhaupt, nur in paradoxer Weise möglich werden – wozu wieder eine Reihe von ‚Escher-Schleifen‘ (z.B. ‚Drawing hands‘ oder ‚Waterfall‘) zur Darstellung herangezogen werden könnten …

Jenseits von Dank und Nachdenklichkeit wünsche ich natürlich auch ebenso einfach wie herzlich Glück, Gesundheit und Erfolg in der jeweils bestmöglichen und relevantesten Mischung für 2014!

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Tags: social innovation, societal challenges