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Am Start: Die „European School of Social Innovation“

25. Okt 2011

Soziale Innovation als Feld der Forschung und Lehre

In der fachlichen wie auch weiteren Öffentlichkeit ist ein Innovationsverständnis verbreitet, das primär wirtschaftlich effektive neue Technologien, Marketing und organisatorische Maßnahmen in Unternehmen als Innovationen wahrnimmt. Daneben wurde bisher der innovativen Qualität von neuen sozialen Praktiken, Organisationsformen oder Verhaltensweisen kaum Beachtung geschenkt – und zwar weder als Forschungsfeld, noch als förderungswürdiges Ziel. In den unmittelbar letzten Jahren allerdings wurde “Soziale Innovation” geradezu zu einem Schlagwort, dessen wissenschaftliche Fundierung aber ebenso wie die politische und praktische Nützlichkeit noch weiterer Entwicklungsschritte bedürfen:
Social innovation is an important new field which should be nurtured. It is about tapping into the ingenuity of charities, associations and social entrepreneurs to find new ways of meeting social needs which are not adequately met by the market or the public sector.
(Europe 2020 - Flagship Initiative: Innovation Union; EC 2010, p. 21)

Soziale Innovation findet sich mittlerweile als Forschungsthema im 7. FTE-Rahmenprogramm der EU, DG Enterprise finanziert eine Pilotinitiative unter dem Titel “Social Innovation Europe” und fördert ein Projekt zur Erhebung von Innovationen im öffentlichen Sektor. Zugleich entstehen weltweit immer mehr Institutionen und Forschungsprogramme, die sich auf soziale Innovationen konzentrieren. Das Interesse an der wissenschaftlichen Entwicklung von Konzepten, Theorien, Indikatoren und empirischen Studien über soziale Innovationen nimmt zu (s. Jürgen Howaldt/Heike Jacobsen, Hg., 2010: Soziale Innovation. Auf dem Weg zu einem postindustriellen Innovationsparadigma. Wiesbaden: VS).

Das Feld ist aufbereitet; der Bedarf an sozialen Innovationen wird anerkannt und als zunehmend wichtig eingeschätzt, so auch in der FTI-Strategie der österreichischen Bundesregierung, in der die Bedeutung sozialer innovationen in einem erweiterten Innovationskonzept betont wird. Es besteht daher eine gute Chance, aufgrund der
jahrzehntelangen Präsenz des ZSI Wien, respektive Österreich, als Ankerpunkt für die Systematisierung und Verbreitung des Wissens über soziale Innovationen zu
positionieren. Ohne der notwendigen strategischen Weiterentwicklung bestünde allerdings auch die Gefahr, den diesbezüglich vorhandenen Standortvorteil gegenüber internationalen Akteuren zu verlieren.

Innovationspolitik und Innovationsforschung der etablierten Art verfügen über umfangreiche Erfahrungen, Daten, Forschungsquellen, und finden öffentliche Aufmerksamkeit.

> Dem steht massiver Nachholbedarf gegenüber, in dieses System die sozialen Dimensionen von Innovationen einzubeziehen.
> Darüber hinaus und parallel dazu müssen die Spezifika von sozialen Innovationen operationalisiert, der empirischen Forschung, Beobachtung und praktischen Förderung erst zugänglich gemacht werden.

Um für diese Anforderungen international wachsende Kompetenzen zu bündeln, wurde am 10. Oktober 2011 die „European School of Social Innovation – Europäische Schule der Erforschung und Vermittlung von Wissen über soziale Innovation“ mit Sitz am ZSI offiziell als Verein nach österreichischem Recht registriert. ESSI ist eine Gründungsinitiative des ZSI gemeinsam mit der Sozialforschungsstelle (sfs) der TU Dortmund. Aufgrund der durch die Konferenz "Challenge Social Innovation" geschaffenen Netzwerke liegen bereits zahlreiche Interessenbekundungen zur Beteiligung seitens möglicher Partnerorganisationen vor. Darüber hinaus werden relevante Institutionen im universitären wie auch außeruniversitären Bereich im In- und Ausland gezielt zur Zusammenarbeit eingeladen.

In Österreich sind die ersten konkreten Aktivitäten die Durchführung einer SOQUA Summer-School zum Thema  ‚Soziale Innovation’ im Juli 2012, die vereinbarte Entwicklung eines Master-Lehrgangs mit und an der Donau Universität Krems, sowie vorbereitende Arbeiten zur Planung eines PhD-Curriculums an der Universität Wien. ESSI ist international die erste ‚School’ dieser Art und soll den spezifisch europäischen Zugang zu sozialen Innovationen stärken. Betont werden die Traditionen und Konzepte des Sozialstaats, in welchen soziale Innovationen integrativ entwickelt und zur Entfaltung gebracht werden können, während sie in anglo-amerikanischen Ländern wesentlich stärker komplementär bis subsidiär (‚was Markt und Staat nicht lösen’) gesehen werden.

Es handelt sich dabei um den Aufbau und die Institutionalisierung eines europäischen – aber global agierenden – Kompetenznetzwerks von führenden Bildungs-, Forschungs- und Praxiseinrichtungen zur permanenten und offenen Kooperation im Feld sozialer Innovation: Um Schulenbildung im weitesten und grundlegenden Sinn des Wortes.

Josef Hochgerner

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Tags: social innovation, social sciences