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Mitarbeiter im Porträt – Dr. Johannes Waldmüller

24. Oct. 2022

Johannes Waldmüller ist seit April 2022 Projektleiter am ZSI.

Dr, Johannes Waldmüller ist seit April 2022 Projektleiter am ZSI. Zuvor war er Forschungsprofessor für Politikwissenschaften in Ecuador (2016-2021) und Gastprofessor der Universitäten FLACSO Argentinien und Jean Jaures in Toulouse sowie der Universität Wien. 

Johannes, wie bist du Sozialwissenschaftler geworden?

Ich weiß gar nicht, ob ich mich wirklich als Sozialwissenschaftler beschreiben würde. Ich habe immer schon disziplinär in mehreren Gewässern gefischt. Meine Forschungen stehen an einer interessanten Schnittmenge zwischen angewandter Ethik, (Inter-)Cultural Studies, sowie Indikatoren für Public Policy-Analyse und ihrer technischen Voraussetzungen bzw. datenbezogenen Umsetzung. Dazu kommen Themen aus dem Bereich der Makroebene der politischen Ökonomie und Entwicklungsstudien. Jedenfalls wurde ich eher zufällig als beabsichtigt Sozialwissenschaftler. Ich habe lange Zeit mein Doktorat der Philosophie verfolgt, und mein Zweitstudium in Entwicklungs und internationalen Beziehungen eher vernachlässigt. Erst entsprechende Stipendien aus der Schweiz haben meine PhD und Postdoc-Projekte in den USA vorangetrieben. Damals war der Fokus auf Menschenrechte und deren Messbarmachung zwischen globalem Norden und Süden. Später habe ich mich immer mehr für die gesellschaftlichen und institutionellen Mikroebenen interessiert, und es kamen sozialökologische Themen dazu, wo sozialwissenschaftliche Perspektiven unabdingbar sind.

Was motiviert dich am meisten?

Ich habe eine 2,5-jährige Tochter, die leider in einer extrem unsicheren Weltlage aufwachsen muss. Insbesondere was die bereits überall eintreffenden Auswirkungen des beschleunigten Klimawandels betrifft. Ich habe über 10 Jahre in Lateinamerika gelebt und gearbeitet. Meine empirische Sozialforschung vor Ort hat mich gelehrt, was der Verlust von Regenwald und Küstenzonen gesellschaftlich, ökonomisch, politisch und ökologisch bedeutet. Heute kann ich mich nicht mehr zwischen Lehre, Publikationen, Rankings- und Drittmittelbewerbungen „verstecken“. Wir müssen mit unserer Forschung so rasch und effizient wie möglich in aktuelle Prozesse evidenzbasiert eingreifen. Neuere Formen von synthetischer und zielgerichteter Wissensgenerierung für sozialökologischen Wandel und im Bereich der „Governance“, sowie dem Zusammenbringen von Akteuren quer über alle gesellschaftlichen Sektoren, sind wichtig dafür, diese Transformation auch mit Nachdruck voranzubringen. Das ist es was mich motiviert. Darin sehe ich heute die Herausforderung für die Sozialforschung, sowie die damit verbundenen ethischen Fragen.

An welchen Projekten arbeitest du derzeit?

Derzeit bin ich Projektleiter einer Machbarkeitsstudie für die Austrian Development Agency (ADA). Es geht um die Auslotung möglicher Berufsbildungspartnerschaften, zwischen Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen in Österreich und Partnerschulen im globalen Süden. Dafür planen wir gerade eine landesweite Umfrage im Sekundärstufenbereich in Zusammenarbeit mit dem BMBWF. Wir interessieren uns sehr für die Interessen, Mobilisierungspotenziale und früheren Erfahrungen der Schulen in diesem Bereich und hoffen, auch in Zukunft diesen wichtigen, und aus dem Ausland oft angefragten Austausch unterstützen zu können. Außerdem arbeite ich als Senior Expert zu Klimawandeladaptierung und Nature-based Solutions in einer großangelegten Evaluierungsstudie der Horizon 2020 und Horizon Europe Forschungsrahmenprogramme der EU. Hier untersuchen wir zusammen mit europäischen und internationalen Partnern wie dem AIT, Fraunhofer ISI, Science-Metrix und anderen, inwieweit R&I-Forschung in Europa zu einer grünen Transformation im Rahmen des so genannten Green Deal beitragen kann. Ich bin hier auch federführend in überaus interessante Benchmarking-Vergleiche mit dem Austrian Climate Research Programme (ACRP) und dem deutschen FONA (Forschung für Nachhaltigkeit)-Programm involviert. Zudem bin ich beim HERAS+-Projekt zur Unterstützung von Forschung, Innovation, höhere Bildung und Entwicklung im Kosovo eingebunden, und auch immer wieder vor Ort tätig. Aktuell läuft noch ein viertes, in dem Fall EU Horizon-Europe F&I-Projekt, an, wo es für uns um die ethischen Komponenten der technologiegestützten Klimawandelanpassung entlegener, ländlicher Gebiete und ihrer Landwirtschaft in der EU geht, insbesondere rund um die Diskussionen von 5G und ähnlichem.

Bevor du ans ZSI gekommen bist, warst du ja an verschiedenen Universitäten tätig. Worin unterscheidet sich deine Arbeit derzeit von der, die du zuvor gemacht hast?

An Universitäten dreht es sich selbst als ForschungsprofessorIn letztlich um den Unterricht, um zähe Verwaltungs- und Verhandlungsprozesse, sowie um Bildungs- und Gesellschaftspolitik im weiteren Sinne, zumal auch vor dem Hintergrund eines indirekten Kampfes um Mittelverteilung. Dazu kommt ein immer stärker wachsender Wettbewerb der Universitäten auf globaler Ebene, aber auch der Druck zur Selbstvermarktung als akademische „Ich-AG“, allerdings oft weniger kooperativ im Team, und dazu gebunden an nach wie vor recht starre disziplinäre Korsette. Auch ist der Rechtfertigungsdruck für jede Art Förderung immens hoch geworden, gerade in den kritischen Sozialwissenschaften, die obgleich unglaublich relevant, dennoch global ziemlich bedroht sind. Inter- und transdisziplinäre Forschung wird zwar überall propagiert, wird aber akademisch nicht ausreichend gefördert. Meine Arbeit am ZSI empfinde ich daher sehr angenehm, da sie inter- und transdisziplinär sowie international ist. Die Projekte zielen zudem auf einen direkten Impact in der Gesellschaft. Das finde ich in Zeiten des Klimawandels unfassbar wichtig. Was ich an der Arbeit an der Universität geschätzt habe ist die Arbeit in der Lehre mit Studierenden. Dafür stehe ich in meiner Arbeit am ZSI nun stärker im Austausch mit anderen Akteuren wie Policymakers und EvaluatorInnen. Der tägliche Arbeitsdruck ist dennoch teilweise höher als an europäischen (aber nicht lateinamerikanischen) Universitäten, da in EU-Projekten üblicherweise zahlreiche Teammitglieder vom eigenen Fortschritt abhängig sind.

Vielen Dank, Johannes und viel Erfolg für die Arbeit an deinen spannenden Projekten!

Mehr über Johannes Waldmüller erfahren Sie hier, auf Linkedin oder Academia.

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