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Reden wir doch einmal über privates Geld!

7. Feb. 2014

Editorial: Mobilisierung von Stiftungsvermögen für Wissenschaft und Innovation

EDITORIALES.png von Josef Hochgerner, ZSI

Die Entscheidung der neuen Regierung, Wissenschaft und Forschung mit Wirtschaft in einem Ministerium zusammen zu führen, signalisiert den Rahmen, in dem Wissenschaft und Forschung gedacht und entwickelt werden sollen. Ob daraus radikale Dominanz des Ökonomismus wird hängt nicht nur von wirtschaftsliberalen PolitikerInnen, Verbänden, Industrie und dem neu formierten BMWFW, sondern auch von den unterschiedlichen Wissenschaftsgemeinden ab: Werden sich die marktnäheren Fachbereiche durch verbesserten Zugang zu privaten Forschungsmitteln weiter von jenen absetzen, die mehr auf Förderungen aus systemisch gelähmten öffentlichen Händen angewiesen sind? Wo gibt es - abgesehen von direkten Aufträgen aus der Wirtschaft - alternative Finanzquellen für Wissenschaft und Forschung, welche die klammen Staatskassen ergänzen könnten? Und: Wenn solche Quellen erschlossen werden, welche Felder in Wissenschaft und Forschung dürfen mit Zufluss rechnen?

Bundesminister Reinhold Mitterlehner bemüht sich, die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für die Wirtschaft durch die Namensgebung des BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hervorzuheben. Er weist auch darauf hin, dass darin die Innovationskette abgebildet sei. Aber die Zeichen stehen schlecht dafür, dass diese Kette mehr ziehen kann als nur im engsten Sinn wirtschaftlich nützliche Wissenschaft und Forschung.

Das ZSI bewegt sich international erfolgreich in weitläufig vernetzten Scientific Communities inter- und transdisziplinärer Forschung mit starkem Praxisbezug. In den bestehenden Strukturen der österreichischen Forschungs- und Innovationsförderung gibt es dafür erschreckend wenig Fördermöglichkeiten, wie ganz allgemein für das viel zitierte Bündel von "Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften" (GSK). Es wird bei der Suche nach neuen Ansatzpunkten zur Erschließung neuer Finanzierungsformen darauf ankommen, selbst und proaktiv an der Erschließung und Regulierung neuer Kanäle zu arbeiten.

In ihrer Koalitionsvereinbarung geben SPÖ und ÖVP gleich zu Beginn (S. 8) unter dem Hauptkapitel "Wachstum und Beschäftigung für Österreich" im Abschnitt über "Wirtschaft mit Innovationen weiterentwickeln" als erste Zielsetzung an: "Mobilisierung des Stiftungsvermögens für Forschung, Technologie und Innovation".

Am Einsatz von Stiftungsvermögen zur wirtschaftlichen Entwicklung durch Innovationen ist nichts auszusetzen. Das gilt auch und besonders aus der Sicht des ZSI, denn unser Leitspruch lautet seit Jahren "Alle Innovationen sind sozial relevant". Das bedeutet nicht zuletzt, dass bei technischen und wirtschaftlichen Innovationen neben den kommerziellen Erfolgskriterien die sozialen Dimensionen (gesellschaftlicher Kontext, sozial differenzierte Auswirkungen, Verteilung von Vor- und Nachteilen etc.) gleichwertig ins Kalkül zu ziehen sind. "Wirtschaft mit Innovationen weiterentwickeln" heißt zeitgemäß, einen erweiterten Innovationsbegriff in den Sektor der Wirtschaft einzuführen, und auf die Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung anzuwenden.

Allerdings ist "die Wirtschaft" ein Teil der Gesellschaft, die insgesamt einen enormen Aufholbedarf an sozialen Innovationen hat: Die "Gesellschaft mit Innovationen weiterentwickeln" wäre eine mindestens ebenso gute, und jedenfalls weiter reichende Überschrift gewesen. Immerhin finden sich in dem schmalen Kapitelchen "Forschung und Innovation" einige Zeilen, die in diese Richtung weisen und das einzige Mal auf 114 Seiten den Begriff "soziale Innovation" enthalten (S. 31):

"Forschung zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen: Thematische Ausrichtung u.a. auf Lebensqualität, Energie, Mobilität, Gesundheit, demographischen Wandel, integrative, innovative und reflektierende Gesellschaften und Dienstleistungs- sowie soziale Innovationen. Potentiale der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (GSK) heben. 'Living labs' unter Einbindung von Bedarfsträgern, Unternehmen, KonsumentInnen und GSK etablieren."

Dafür braucht es, noch dringender als für Innovationen in der Wirtschaft, eine "Mobilisierung des Stiftungsvermögens"!

Stiftungen für die Wissenschaft

Im internationalen Vergleich gibt es in Österreich einerseits große Vermögen in privaten Stiftungen, andererseits wenig Information darüber und vor allem nur einen geringen Anteil von gemeinnützigen Stiftungen mit minimalen Ausschüttungen für Wissenschaft und Forschung. Der Verband Österreichischer Privatstiftungen geht mit Informationen sehr sparsam um. Demnach wird der Vermögensbestand mit rund 70 Mrd. Euro und die Zahl der Stiftungen (Stand 1.10.2013) mit ca. 3.270 angegeben. Davon widmen etwa 400 einen Teil ihrer Erträge gemeinnützigen Zwecken nur rund 200 sind explizit gemeinnützig. In scharfem Kontrast dazu gibt es in der Schweiz knapp 13.000 gemeinnützige Stiftungen, darunter mehr als 2.300 Forschungsstiftungen, die pro Jahr mit etwa 400 Mio. Franken Bildung und Forschung  fördern. Diese Daten stammen aus dem Vortrag "Die Schweizer Philantropie-Landschaft und die Wissenschaft" von Prof. Schnurbein (Universität Basel) im Rahmen der Veranstaltung "Stiften für die Gemeinschaft", zu der der Rat für Forschung und Technologieentwicklung am 28. Jänner 2014 ins Haus der Musik geladen hat.

Besonders aufschlussreich ist hierbei, dass Schweizer Stiftungen nicht nur viel, sondern in ein sehr breites Spektrum an Wissenschaften investieren, was Geisteswissenschaften sogar mehr als Naturwissenschaften zugute kommt:

Nicht weniger beeindruckend waren die Ausführungen und Zahlen von Prof. Schlüter vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft über Stiftungen für die Wissenschaftsförderung in Deutschland. Beide Präsentationen zeigten die vergleichsweise Dürre und Unwirksamkeit österreichischer Stiftungen für gemeinnützige Zwecke im Allgemeinen, und für Wissenschaft und Forschung im Besonderen schmerzlich auf.

In der Diskussion dazu kristallisierten sich zwei für eine wünschenswerte Begrünung der Wüstenlandschaft zentrale Ansatzpunkte heraus:

  • Das österreichische Stiftungswesen kennt keine Anreize zur gemeinnützigen Verwendung von Erträgen aus Privatstiftungen, noch weniger zur Errichtung direkt gemeinnütziger Stiftungen. Ein unübersehbarer Boom der Gründung von gemeinnützigen und Wissenschaft fördernden Stiftungen wurde in Deutschland durch steuerrechtliche Reformen 1999 ausgelöst. Ähnliche Reformen sind in Österreich unverzichtbar, wenn es zu der gewünschten "Mobilisierung des Stiftungsvermögens" für Forschung und Innovation kommen soll.
  • Um diesem Ziel dienliche und politisch durchsetzbare Regelungen im Spenden-, Abgaben und Stiftungsrecht zu entwickeln, sollten sich an fachlichen und öffentlichen Diskussionen (etwa in einer parlamentarischen Enquéte) sowohl infrage kommende und interessierte Stiftungen wie auch potenzielle Anspruchsberechtigte beteiligen. Zur zweiten Gruppe zählen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, aber selbstverständlich auch andere Stakeholder wie Sozialdienstleister, Organisationen für Kunst und Kultur und andere gemeinnützige Zwecke, etwa betreffend Umwelt und Klima. Zur erstgenannten Gruppe gelangte die Diskussion zu keinem weiteren Ergebnis als dem Appell, es müssten solche Stiftungen gefunden werden.

Tatsächlich gibt es aber bereits eine Plattform von acht Stiftungen, welche als initiativer Kern infrage kommen kann: Bereits 2010 haben sich u.a. die ERSTE Stiftung, die ESSL Stiftung und die UNRUHE Privatstiftung (die seit zehn Jahren den Preis für soziale Innovation vergibt) zusammen geschlossen, um als Sinnstifter gemeinsam innovative Sozialprojekte unterstützen. Eines dieser Projekte, Tu was, dann tut sich was, wurde 2013 im Rahmen des Ö1 Open Innovation Forum ausgezeichnet.

Ganz im Sinn von "Tu was!" möchte ich 'unsere' Wissenschafts-Community auf diese Thematik aufmerksam machen und zu einem Trialog zwischen Wissenschaft, Stiftungen und Politik beitragen, der angesichts trister Aussichten für Wissenschaft und Forschung dringend geboten ist.

Tags: social innovation

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