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Im Porträt: ZSI-Forscherin Dorothea Sturn

7. Okt 2020

Wie man Ethik in Forschungs- und Innovationsförderungsagenturen integrieren kann

PRO-Ethics ist ein von der EU im Rahmen von HORIZON 2020 gefördertes Projekt und wird vom ZSI koordiniert. Das Projekt erarbeitet einen ethischen Rahmen mit Grundsätzen, Richtlinien, Bewertungskriterien, bewährten Verfahren und Vorschlägen zum regulatorischen Umfeld, wie das Engagement von Bürger*innen angemessen umgesetzt werden kann, ohne die ethischen Grundsätze von Fairness, Transparenz, Geschlecht, Datenschutz und Nachhaltigkeit zu missachten.

Dies wird durch Diskurse und Lernschleifen zusammen mit acht führenden europäischen Forschungsförderungsorganisationen, fünf Expertenorganisationen und zwei internationalen Organisationen erreicht. Darüber hinaus wird das erarbeitete Framework real in 11 praktischen Fällen und experimentellen Pilotprojekten angewendet, getestet und validiert.

Das Projekt, das Anfang 2020 gestartet wurde, wird von Dorothea Sturn vom ZSI koordiniert, die folgendes Interview dazu gegeben hat:

Worum geht es in Eurem Projekt?

Wir möchten mit acht europäischen Forschungsförderungsagenturen, fünf Forschungspartnern und zwei internationalen Organisationen herausfinden was passiert, wenn in Forschungsprojekten und Prozessen andere Organisationen und Personen eingebunden werden. Diese anderen können diejenigen sein, die am Ende die Innovationen nutzen, es können verschiedene Stakeholder sein, oder auch ganz allgemein die Zivilgesellschaft. Dabei geht es nicht nur um neue Formen der Zusammenarbeit von Akteur*innen aus verschiedensten Bereichen, sondern vor allem auch darum, wie diese Einbindung wichtige ethische Gesichtspunkte berücksichtigen kann.

Was findet ihr dabei besonders spannend?

Partizipation klingt immer nach Demokratie, Emanzipation und Ermächtigung. Oft zeigen sich aber auch die Schattenseiten dieser Zusammenarbeit. Wir möchten zeigen, wie Zusammenarbeit auf Augenhöhe ohne Diskriminierung oder Ausbeutung erfolgen kann.

Wo gibt es einen speziellen Forschungsbedarf und wie wird der angegangen?

Es gibt zum einen eine Diskussion zu den ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen vieler, eher neuer Forschungsrichtungen (z.B. Hirnforschung, künstliche Intelligenz, Robotik) und aufstrebender Technologien (z.B. CRISPR/Cas9, etc.). Parallel dazu wurde das Konzept von Responsible Research and Innovation (RRI) entwickelt, welches darauf abzielt, dass Akteur*innen in Gesellschaft, Forschung und Innovation gemeinsame Lösungen entwickeln, für die sie auch gemeinsam Verantwortung tragen. In seiner aktuellen Gestaltung in Horizont 2020 enthält RRI sechs Dimensionen, von denen eine Ethik, eine weitere öffentliches Engagement betrifft.  Ein weiterer Diskussionsstrang über Partizipation findet sich in der politischen Philosophieliteratur: Obgleich Partizipation gewissermaßen als Folge demokratischer Prozesse analysiert wird, gibt es doch vielfach Kritik an den konkreten Teilnahmebedingungen. Diese seien oft anspruchsvoll und exklusiv, daher könne sich Macht in den Händen einer privilegierten, gebildeten Elite konzentrieren.

Im Kontext von PRO-Ethics versuchen wir diese verschiedenen Thesen und Forschungsstränge in konkreten Pilotvorhaben der Forschungsförderungsorganisationen zu testen und eine „beste Praxis“ für partizipative Prozesse zu entwickeln.

Worin zeigt sich der europäische Mehrwert?

Bislang sind ethische Richtlinien in der Forschung eher auf nationaler Ebene angesiedelt und unterscheiden sich  massiv von Land zu Land. Die Agenturen, die sich um wissenschaftliche Integrität bemühen, sind europäisch schon sehr vernetzt und folgen dem europäischen Code of Conduct von ALLEA. Ethikkommissionen hingegen sind ebenso wie Forschungsförderungsorganisationen in ihre jeweiligen nationalen und regionalen Umfelder eingebettet und fangen gerade erst an, einheitliche Standards zu entwickeln. Wenn wir hier mit acht Organisationen einen gemeinsamen Ansatz entwickeln , kann dies europaweit schon ein Zeichen setzen.

Wie steht Österreich in diesem Themenbereich?

Österreich befindet sich hier etwa im europäischen Mittelfeld, was die Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte wie auch die Integration neuer Akteur*innen in Projekte und Prozesse der Forschung angeht. Die FFG ist Projektpartner und hat einige Erfahrung mit partizipativen Prozessen. Der FWF hat sich mit den Themen Open Access und Forschungsintegrität sehr früh positioniert und kümmert sich auch zunehmend um Ethik. Auch hat die Gründung der RRI Plattform im Jahr 2014 vieles dazu beigetragen, dieses Thema in Österreich voranzutreiben.

Wie bist Du zu dem Thema überhaupt gekommen? Gibt es dazu einen biographischen Anhaltspunkt?

Mit Forschungsförderung beschäftige ich mich in verschiedenen Rollen seit über 30 Jahren. Fragen der Forschungsethik und -integrität begannen mich im Zuge meiner Tätigkeit im FWF zu interessieren. Partizipation, Ethik und Gender haben gemeinsam, dass es viel Zeit und Achtsamkeit benötigt, diese Konzepte wirklich in die Umsetzung zu bringen. Ich tue es, weil ich es für einen gesellschaftspolitischen Imperativ halte. Aber ob dadurch die Forschung besser wird, konnte ich bislang nicht beantworten.

Ich danke für das Gespräch!

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Tags: ethics, Portrait, RRI