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Ein Gespräch mit Florian Gruber, F&E

27. Jun 2013

Editorial: Fokus auf internationale Forschungszusammenarbeit

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“Der Europäische Forschungsraum wird sicherstellen, dass es ausreichend hochqualifizierte Arbeitskräfte in Europa gibt, indem er Forschenden attraktivere und besser bezahlte Karrieren bietet und Hürden beseitigt, die bisher die Mobilität zwischen Sektoren und Ländern eingeschränkt haben(…).”

EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft Máire Geoghegan-Quinn (15.05.2013, EU-INFOTHEK, Europas Online Nachrichten Magazin)

"Der österreichische Forschungsraum weist zahlreiche Qualitätsmerkmale auf. Gerade auch anhand der hohen Rückflussquote im EU-Forschungsrahmenprogramm sowie an der erfolgreichen Einwerbung von ERC-Grants zeigt sich, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Österreich international absolut mithalten können und der heimische Wissenschafts- und Forschungsstandort hervorragend aufgestellt ist."
Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle, BMWF (24.04.2012)
 

Der ZSI-Bereich Forschungspolitik & Entwicklung (F&E) arbeitet aktuell in über 20 internationalen Projekten:  warum dieser Fokus auf die internationale Forschungszusammenarbeit?
F&E ist der größte Bereich am Zentrum für Soziale Innovation und sehr erfolgreich in der Unterstützung von internationalen Kooperationen im 7. Forschungsrahmenprogamm. 2014 wird das Programm Horizon 2020 das derzeit laufende Rahmenprogramm ablösen und neue Spielregeln schaffen: Es fasst erstmals die gesamte Bandbreite von Wissenschaft über Technologie bis hin zur Innovation unter einem gemeinsamen "Förderdach" zusammen und soll wesentlich zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums beitragen – soweit der Blick auf den europäischen Kontext.
Der Bereich F&E beschäftigt sich stark mit der Förderung der Kooperation von Europa mit Nicht-EU-Staaten, mit denen die Europäische Union neue Kooperationen in Wissenschaft und Forschung starten oder bestehende vertiefen möchte. Dazu zählen Länder aus unserer direkten Nachbarschaft, wie dem Westbalkan und Osteuropa, aber auch aus den aufstrebenden Wissensregionen der Welt wie Indien, Russland, Südostasien, Südamerika. Projekte gibt es auch mit bereits etablierten und in der Forschung exzellenten Ländern wie zum Beispiel Kanada.

Der Hintergrund für die zunehmende Wichtigkeit der neuen Wissensregionen ist, dass in den letzten Jahren die Vorherrschaft der geschlossenen Triade Nordamerika – Japan – Europa immer stärker aufgebrochen wurde. Global wuchs das Bewusstsein, dass nachhaltiger wirtschaftlicher Fortschritt vor allem durch die Stärkung der Forschungskapazitäten erzielt werden kann. Bei der Vertiefung von Kooperationen mit den kommenden Wissensregionen sind die Herausforderungen für Europa jedoch andere als mit den etablierten KooperationspartnerInnen, wo die Netzwerke vielfach bereits bestehen und die wichtigsten Player bekannt sind.

Die Welt rückt immer näher zusammen: Welchen Beitrag leisten F&E-Projekte bei der Förderung der globalen Vernetzung des Europäischen Forschungsraumes?
Die Europäische Kommission hat spezielle Projekttypen zur internationalen Vernetzung entwickelt: ERA-NETs , INCO-NETs und BILATs, die auf drei Ebenen ansetzen, nämlich auf politischer, auf programmatischer und auf ForscherInnenebene. Unsere Projektpartner sind vor allem Forschungsorganisationen intermediäre Agenturen wie das CNRS in Frankreich, DLR in Deutschland, oder das NSTDA in Thailand. Im Zentrum all dieser kooperativen Anstrengungen steht die Förderung der internationalen Vernetzung von ForscherInnen und InnovatorInnen, Analysen für evidenzbasierte Politikgestaltung, sowie die stärkere Sichtbarkeit des europäischen Forschungsraums in den Kooperationsländern.

Zu den Projekten mit „Lead“ beim ZSI zählen beispielsweise das WBC-INCO.NET Projekt mit dem Westbalkan, das BILAT-UKR*AINA zur Stärkung der Vernetzung zwischen der EU und der Ukraine, sowie INDIGO Policy, das kommende BILAT mit Indien.

Welchen Beitrag leisten diese internationalen Kooperationsprojekte?
ERA.NET ist ein Instrument der Europäischen Kommission, wobei europäische Länder gemeinsam Forschungsförderschienen zur Vernetzung mit Regionen außerhalb Europas entwickeln. Im ERA.NET mit Indien haben wir beispielsweise bisher vier Forschungsförderungsausschreibungen im Bereich Monitoring und Evaluation unterstützt, zwei mit dem indischen Department of Biotechnology und zwei mit dem Department of Science and Technology, jeweils mit einem europäischen Förderkonsortium.

INCO.NET und BILAT Projekte sind stärker auf der politischen Ebene angesiedelt und unterstützen die Vernetzung von Ministerien, intermediären Agenturen und ForscherInnen. Es wird PR für den europäischen Forschungsraum und für europäische Förderprogramme wie Horizon 2020 in den Zielländern gemacht und der persönliche Austausch von AkteurInnen forciert.

Das ZSI unterstützt diese Prozesse auch auf analytischer Ebene. Ein Beispiel dafür ist die durch ZSI-ExpertInnen herausgegebene Studie: „Spotlight on: Science and Technology Cooperation Between Southeast Asia and Europe. Analyses and Recommendations from the SEA-EU-NET Project“ (2011). Im Fokus der Analysen sind die Internationalisierungsstrategien der südostasiatischen Länder und Fragen wie: Was sind die Potenziale, Barrieren, die Hemmnisse für Forschungsnetzwerke zwischen Südostasien und Europa? Darüber hinaus entwickelte das F&E Team Szenarien wie zukünftige Kooperationen aussehen könnten, unterstützt von einem vielfältigen Portfolio an sozialwissenschaftlichen Methoden wie z.B. Netzwerk- und bibliometrischen Analysen.
Ein weiteres interessantes Beispiel ist die Publikation: „Korea and Europe – Meeting through science. Exploring the opportunities of R&D cooperation with KORANET“ (2013). ZSI-Expertinnen liefern in diesem Band analytische und konzeptionelle Beiträge.

Was war für den Erfolg des ZSI im 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union auschlaggebend?
Wichtig für diesen Erfolg war, uns sowohl im Inland als kompetenten und zuverlässigen Partner für heimische Stakeholder, wie das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, zu positionieren, als auch international vernetzt zu sein. Wir waren zum Beispiel KoordinatorInnen eines der ersten horizontalen internationalen Kooperationsprojekte im Forschungsrahmenprogramm, dem SEE-ERA.NET mit dem Westbalkan. Durch den Erfolg dieser Projekte konnten wir zeigen: gut verankert hier, und gut vernetzt mit der Welt!

Die Abkürzung FTI steht für Forschung, Technologie und Innovation, drei wesentliche Bestandteile des derzeitigen forschungspolitischen Diskurses…
In den vergangenen Jahren wurde klar, dass ForscherInnen Hilfe für die Umsetzung und Verwertung von Forschungsergebnissen benötigen. Ein gutes Beispiel ist Singapur, wo der Fokus auf "translational research" gerichtet wird, also auf die Umsetzung von Forschungsergebnissen in wirtschaftlichen Erfolg. Im Programm Horizon 2020 ist jetzt „Innovation“ in den Mittelpunkt gerückt und wird uns im Bereich F&E in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen.

Gemeinsames Kennzeichen von Herausforderungen im Bereich FTI ist der rasche Wandel, auf den politisch reagiert werden muss: Welche Maßnahmen unterstützen eine evidenzbasierte Politikgestaltung?
Gemeinsame Themen innerhalb der Projekte werden einerseits anhand von nationalen Prioritäten entwickelt. Ein Beispiel ist eine gemeinsame Förderausschreibung mit Indien im Bereich Wasser, bedingt durch den indischen Fokus „war for water“. Aber abgesehen von politischen Schwerpunktsetzungen lassen sich thematische Foki, beispielsweise analytisch über Ko-Publikations- und Ko-Patentanalysen herausfinden. Auch in diesem Bereich ist das ZSI internationaltätig.
Ein anderer wichtiger Punkt beim Support zum Aufbau von internationalen FTI-Kooperationen ist die Analyse von nationalen Innovationsrahmenbedingungen, zum Beispiel im Bereich der „Intellectual Property Rights“, also zur Rechtslage im Bereich geistiges Eigentum. An diesem Thema arbeiten wir derzeit in einer Reihe von internationalen Projekten.

Worauf wir stolz sind, ist die Beteiligung an der Weiterentwicklung des “Innovation Union Scoreboard” (IUS),  ein Tool der Europäischen Kommission zur Sichtbarmachung und zur Unterstützung von Vergleichen von nationalen Innovationssystemen auf europäischer Ebene. Hier sind wir ebenfalls als analytischer Partner eingebunden.

Alle Innovationen sind sozial relevant…
Das ZSI unterstützt die europäische Internationalisierung im Bereich FTI. Der leitende Grundsatz für das ZSI ist es, Kooperationen auf Augenhöhe für WissenschafterInnen aller Regionen zu ermöglichen. Der Bereich hat in diesem Kontext unter anderem auch einen Fokus auf Evaluation und Monitoring.

Zur Person
Mag. Florian Gruber ist seit 2013 Leiter des ZSI-Bereichs Forschungspolitik & Entwicklung (F&E). Nach dem Studium der Kultur- und Sozialanthropologie (Schwerpunkt Indien, Widerstandsoptionen für subordinierte Gruppen) folgten 14 Monate als Projektkoordinator bei WUS-Austria in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina, sowie die Arbeit im Bereich Interkulturelle Kompetenzen an der Donau-Universität Krems. Florian Gruber ist seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter des ZSI und übernahm bereits im Jahr 2011 die interimistische Bereichsleitung. Zu den geographischen Schwerpunkten seiner Arbeit zählen Südosteuropa und Indien.
 

Tags: foresight, innovation, research cooperation, Southeast Asia, Southeast Europe